Vor ziemlich genau vier Jahren beschäftigte ich mich zum ersten Mal mit Rhetorik. Mein Eingangstor war ein Treffen der Toastmasters. Da ich einen zweisprachigen, englisch-flämischen Redeklub in Brüssel besuchte, verstand ich zur Hälfte nur Bahnhof. Ich war von der Veranstaltung trotzdem sehr beeindruckt.
Was waren die Gründe für mein plötzlich aufflammendes Interesse an Rhetorik?
Zum einen habe ich mich schon als Schüler für Redekunst interessiert und darüber nachgedacht, Rhetorik zu studieren (das geht in Deutschland nur in Tübingen). Da ich in dem Fach keine große Perspektive sah, entschied ich mich dagegen.
Zum anderen wähnte ich mich vor vier Jahren in einer beruflichen Sackgasse und spürte einen starken Antrieb, an mir zu arbeiten. Ich wollte in Gruppendiskussion und Präsentationen unbedingt besser werden, da ich meine Kompetenzen in diesen Bereichen als verbesserungswürdig einstufte.
(Ob meine damalige Wahrnehmung der Realität entsprach, sei dahingestellt.)
Nach meiner Erfahrung geht es anderen Menschen genauso. Sie besuchen Rhetorik-Seminare oder Redeklubs wie Toastmasters, weil sie berufliche Ziele erreichen wollen.
Deshalb möchte ich in diesem Beitrag resümieren, ob mir meine Zeit bei den Toastmasters beruflich etwas gebracht hat.
Mir geht es nicht um Selbstbeweihräucherung – ich möchte eine realistische Perspektive für Menschen schaffen, die daran interessiert sind, ihre rhetorischen Fähigkeiten zu verbessern.
Also los…
1. Ohne Toastmasters hätte ich meinen aktuellen Job möglicherweise gar nicht bekommen.
Als Account Manager habe ich mit Kaltakquise zu tun und pflege bestehende Kooperationen. Kommunikative Fähigkeiten waren für meinen Arbeitgeber deshalb ein wichtiges Kriterium beim Auswahlverfahren. Das Unternehmen hat meine kommunikativen Fähigkeiten in mehreren Gesprächen auf Herz und Nieren geprüft. Ich wurde sogar gebeten, eine kurze Spontanrede zu halten. Die Personalerin hat mich außerdem gefragt, was es mir gebracht hat, mich in einem Redeklub zu engagieren.
Ich bin überzeugt, dass ich in diesen Gesprächen von den Erfahrungen gezerrt habe, die ich bei Toastmasters gesammelt habe. Möglicherweise waren sie sogar ein entscheidender Pluspunkt.
2. Rhetoriktraining hat mir ermöglicht, bei beruflichen Präsentationen selbstbewusster aufzutreten.
Ich akquiriere neue Kunden, indem ich Außentermine wahrnehme und Vertriebspräsentationen halte. Statt Angst verspüre ich vor diesen Terminen eher eine „anregende Spannung“. Dank meiner regelmäßigen Teilnahme an Toastmasters-Treffen fühle ich mich mit meinen Präsentationsfähigkeiten sicher. Außerdem freut sich mein Ego, wenn ich zeigen kann, was ich über die Jahre gelernt habe.
Ich spüre auch nicht den Drang, den Redetext einzustudieren und ewig an der Tonspur zu feilen. Denn ich habe über die Jahre einen großen Erfahrungsschatz aufgebaut, der es mir ermöglicht, während einer Rede zu improvisieren und unerwartete Hürden zu meistern.
3. Durch Toastmasters habe ich gelernt, mich immer wieder meinen Ängsten zu stellen.
Auch wenn ich seit zwei Jahren regelmäßig Akquisetelefonate führe, habe ich immer noch ein Kribbeln im Bauch, wenn ich einen potenziellen Kunden zum ersten Mal anrufe. Und obwohl ich seit mehr als fünf Jahren regelmäßig präsentiere, bin ich immer noch angespannt, wenn ich vor einem größeren Publikum auftrete. Doch die Nervosität hält mich nicht mehr davon ab, diese Dinge zu tun. Ich habe über die Jahre gelernt, dieses Gefühl in einem positiven Licht zu sehen.
Nervosität signalisiert mir, dass es offensichtlich etwas zu gewinnen gibt (und somit auch zu verlieren). Und je häufiger ich mich diesem Gefühl aussetze, desto mehr wird sich mein Leben zum Positiven verändern. Vielleicht ist das die wichtigste Einsicht, die mir meine Mitgliedschaft bei Toastmasters gebracht hat.
Zu guter Letzt
Als Abschluss halte ich fest: Es war eine gute Entscheidung, mich mit Rhetorik zu beschäftigen und zu den Toastmasters zu gehen.
Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Deshalb werde ich in einem anderen Beitrag beschreiben, in welchen Bereichen mir Redetraining nicht das gebracht hat, was ich mir erhofft habe.
Foto: Andrea Tschammer
Fortschritt ist nie ein Letztes, Fortschritt ist immer im Fluß.
Gerhard Strobel