Was kann Rhetoriktraining nicht leisten?

Ein Erfahrungsbericht

Rhetoriktraining war für mich ein echter Glücksfall. Es hat mich zu Menschen geführt, die ich nicht mehr in meinem Leben missen will. Es hat mir Türen geöffnet, die vorher verschlossen waren.

Und vor allem: Rhetoriktraining hat mich zu einem besseren Redner gemacht.

Es ist für mich keine große Hürde, eine Rede ohne Manuskript und Karteikarten zu halten. Und die Vorstellung, vor mehr als hundert Menschen einen Vortrag zu halten, raubt mir nicht den Schlaf. Meine Erfahrungen kannst du in dem Beitrag Hat mich Rhetoriktraining beruflich weitergebracht nachlesen.

Doch es gibt immer zwei Seiten der Medaille.

Deswegen zeige ich in diesem Beitrag die Grenzen von Rhetoriktraining auf. Zumindest für mich. Wo hat mir Rhetoriktraining nicht das gebracht, was ich mir gewünscht hätte?

1. Meine Redeangst hat abgenommen – doch sie ist nicht weg.

Es ist dabei geblieben: Vor jedem wichtigen Vortrag bahnt sich Adrenalin seinen Weg aus meiner Nebenniere in die Blutbahn. Die Folge ist eine Nervosität, die ich besonders deutlich in meinem Bauch spüre.

Sie sorgt dafür, dass meine Reden am Anfang manchmal nicht ganz rund laufen. Manchmal verspreche ich mich. Gelegentlich vergesse ich etwas, das ich sagen wollte.

Der Unterschied zu früher ist, dass ich routinierter mit meiner Anspannung umgehe. Ich stelle meine Angst nicht in Frage – ich nehme sie an.

Doch es bleibt dabei: Ich habe meine Redeangst bis heute nicht besiegt. Äußerlich bleibe ich cool, aber innerlich bin ich vor einer wichtigen Präsentation aufgewühlt.

2. Mein Hang zur Monotonie ist geblieben.

Eine Professorin hat mir vor ungefähr zehn Jahren gesagt, dass ich vor Publikum eine gewisse „Priestermentalität“ ausstrahlen würde. Sie meinte damit wohl meine ruhige, teils variationsarme Sprechweise.

Wenn mir Freunde oder Toastmaster Feedback zu meinen Reden geben, wünschen sie sich in der Regel mehr Stimmvariation. Ich würde diesen Aspekt gerne verbessern. Doch es ist schwierig – denn meine natürliche Sprechweise ist etwas monoton.

Wenn ich mich bemühe, kann ich mit viel Stimmvariation sprechen. Doch es ist ganz schön anstrengend. Aus meiner Sicht hängt es stark von der Persönlichkeit ab, wie ausdrucksstark die Stimme ist. Ich bin ein in sich ruhender Mensch – und das kommt auch in meiner Stimme zum Ausdruck.

3. Der Traum, ein Entertainer zu sein.

Ein Bankett mit zwanzig Personen. Neunzehn Menschen lauschen gebannt einem Mann, der eine humorvolle Anekdote aus seinem Leben erzählt. Lautes Johlen. Nachdem er das letzte Wort gesprochen hat, klatschen alle überschwänglich. Und stoßen gemeinsam auf die tierisch komische Anekdote an.

Welch ein famoser Geschichtenerzähler! Für den Rest des Abends steht der Mann im Mittelpunkt und wird mit Aufmerksamkeit überflutet.

Wer würde nicht gerne ab und zu der große Entertainer sein?

Ich schon. Doch ich bin es auch durch Rhetoriktraining nicht geworden.

Ich spüre selten den Impuls, vor größeren Gruppen eine Anekdote zum besten geben zu wollen. Ich muss einsehen: Durch rhetorisches Geschick und Präsentationsfähigkeit wird man ein guter Redner. Doch das macht einen nicht automatisch zum neuen Thomas Gottschalk.

Hier spielt die Persönlichkeit wahrscheinlich eine größere Rolle. Manche Menschen haben den unbewussten Drang, im Mittelpunkt zu stehen. Sie sind ständig auf der Suche nach Aufmerksamkeit und fühlen sich in der Rolle des Entertainers wohl. Andere haben nicht das Bedürfnis, den Scheinwerfer auf sich zu lenken.

Fazit:

Die Grenzen von Rhetoriktraining liegen dort, wo man seine Persönlichkeit verändern will.

Just be yourself!

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