Welcher Redner träumt nicht davon, selbstbewusst und ohne Redeangst auf der Bühne zu stehen? Die Methode „Power Posing“ soll Rednern diesen Traum erfüllen.
Power Posing basiert auf Studienergebnissen, die von einem Forscherteam um Harvard-Professorin Amy Cuddy im Jahr 2010 veröffentlicht wurden. Cuddy präsentierte ihre Ergebnisse in einem TED Talk, dieser ging durch die Decke und wurde bis dato allein auf der TED Webseite 45 Millionen Mal abgerufen.
Das Prinzip dieser Methode ist denkbar einfach: Man zieht sich vor einer Situation mit hohem sozialen Druck – wie einer Rede oder einer mündlichen Prüfung – in ein privates Plätzchen zurück und führt große Gesten aus. Dafür begibt man sich in einen schulterbreiten Stand – Brust raus – und streckt beide Arme zur Seite aus. Anschließend verharrt man für ein paar Augenblicke in dieser Position und spürt, wie sich der innere Zustand verändert.
Durch diese „Machtgesten“ soll sich die Menge des Stress auslösenden Hormons Kortisol reduzieren, während der Testosteronspiegel relativ dazu ansteigt. Testosteron fördert dominante Verhaltensweisen und Risikofreude. Beim Power Posing geht es also darum, sich stärker zu fühlen und somit schwierige Situationen besser zu meistern.
Es gibt mittlerweile zahlreiche weitere Studien, die untersucht haben, wie sich Körperhaltung auf das menschliche Befinden auswirkt. Wissenschaftler in aller Welt sind der Frage nachgegangen: Hält Power Posing das, was es verspricht?
Im Jahr 2015 hat die Universität Zürich eine Studie mit 200 Probanden durchgeführt (bei Cuddys Studie waren es nur 42 Versuchspersonen). Die Ergebnisse waren für alle überzeugten „Power Poser“ enttäuschend bis ernüchternd. Zwar berichteten die Studienteilnehmer, dass sie sich nach Durchführung der Machtgesten mental stärker fühlten. Diese subjektiven Empfindungen konnten aber nicht durch hormonelle Veränderungen belegt werden. Sowohl das Level an Testosteron als auch das Kortisol-Level waren konstant geblieben.
Ist Power Posing also wirkungslos?
Das Forscherteam um Cuddy verteidigt die Methode vehement, was angesichts des Hypes um den TED Talk nachvollziehbar ist. Die Wissenschaftler haben zum Beispiel eine Liste mit 50 Studien zusammengetragen, die sich mit Power Posing auseinandersetzen. Sie behaupten, dass 34 dieser Studien die Wirksamkeit von Machtgesten belegen würden, nur 3 hätten keinerlei Wirkung nachweisen können.
Bei einem Aspekt ihrer Studie ist Cuddy mittlerweile zurückgerudert. Sie erkennt an, dass die Forschung bisher keine durch Power Posing ausgelösten hormonellen Veränderungen nachweisen konnte. Demgegenüber hält sie es aber für eindeutig belegt, dass Power Posing das wahrgenommene Gefühl der Macht verstärkt. Nachzulesen sind ihre Aussagen in diesem englischsprachigen Interview.
Fazit
Ohne nachweisbare hormonelle Veränderungen steht Power Posing auf einem wackeligen Fundament – zumindest aus wissenschaftlicher Sicht.
Glauben Menschen an die Effektivität dieser Methode, weil sie im Trend liegt? Oder, weil sie so leicht durchführbar ist? Es liegt in der Natur des Menschen, den Weg des geringsten Widerstandes gehen zu wollen. Kurz ein paar Machtgesten ausführen und meine nächste Rede wird ein Erfolg – das klingt richtig schön einfach!
Vielleicht ist Power Posing auch nur ein Ritual, das später mit Erfolg verknüpft wird. Viele Fußballprofis beten, bevor sie das Spielfeld betreten oder bekreuzigen sich nach einem Tor. Würde man diese Sportler fragen, ob diese Rituale erfolgsentscheidend sind – sie würden das mit Sicherheit bejahen. Wenn ich glaube, dass mir etwas hilft, hilft es in der Regel auch. Ein bekanntes Beispiel aus der Wissenschaft ist der Placebo Effekt.
Möglicherweise funktioniert Power Posing genau aus diesem Grund: Es stärkt den Glauben der Menschen an sich selbst.
Am Ende bleibt eigentlich nur zu sagen: Probiere Power Posing aus und finde heraus, ob es dir hilft!